(teilw. entnommen aus der Festschrift: 20. Kreistreffen am 27. & 28. Juni 1981 in Langgöns)
Es geschah vor 57 Jahren, im Jahre 1946, als die Bewohner des ehemaligen Kreises Bärn in Nordmähren, Sudetenland, von den Tschechen ihrer Habe beraubt, von ihrem Besitz vertrieben, aus ihrer angestammten Heimat abgeschoben wurden.
Diese unschuldig bestraften Menschen waren vorwiegend in dem früheren Staatsgebiet der österreichisch-ungarischen Monarchie geboren und ansässig, also zu einer Zeit, in der die tschechoslowakische Republik noch nicht existierte.
In Viehwaggons zusammengepfercht, rollten, den der Schadenfreude der Tschechen begleitet, die Aussiedlertransporte aus der Heimat. Das wenige Gepäck, meist unter den vorgeschriebenen 50 kg für jede Person, wurde noch vorher in den Sammellagern von den Tschechen mehrmals durchsucht und manches persönliche Andenken abgenommen. Einige Personen mussten sich auch strenge Leibesvisitationen gefallen lassen.
Nach der Vertreibung waren im Kriegsgebiet Tschechen, Slowaken, Zigeuner und Rumänen die neuen Bewohner. Trotz aller Versprechungen und Anstrengungen der Regierung ist eine Wiederbesiedlung, vor allem der Dörfer, nicht mehr gelungen. Solange die "Goldgräber", wie sie allgemein genannt wurden, von den noch verbliebenen Vorräten de Deutschen zehren konnten, fanden sich genug Siedlungswillige. Sobald aber diese aufgebraucht waren, zogen sie wieder ab und das Interesse für Haus und Boden hatte aufgehört. Viele "Goldgräber" verstanden auch nichts von der Landwirtschaft. Aus vielen Häusern wurden die Türen, die herausgebrochen Fenster und das Dachgebälk verheizt. Die so mutwillig zerstörten und nicht mehr bewohnbaren Häuser sind im Laufe der Zeit restlos verfallen. Seit dem Jahre 1947 ist der südliche Teil des Kreises Bärn, etwa von Herlsdorf - Altwasser - Schönwald - Bernhau bis gegen Liebenthal und Bodenstadt militärischer Schieß- und Truppenübungsplatz. Die noch verbliebenen Baulichkeiten dienten noch längere Zeit als natürliche Ziele für Übungsschießen, bis auch diese eingeebnet waren. Einige Gebäude im Sperrgebiet wurden von den Militärs auch als kostengünstiges Baumateriallieferant an die neuen Bewohner verkauft. Die Kräfte der Natur - Wind, Regen und Sonne - taten das übrige. In diesem Sperrgebiet verschwanden Teile des Städtchen Stadt-Liebau und vollständig 23 umliegende Ortschaften. Dieser Teil des Kreises, einst blühendes Land von ca. 25.000 ha Boden, das rund 13.000 Menschen Heimat war und ihnen Arbeit und Brot gab, ist für die Zukunft vernichtet. 23 Generationen haben rund 700 Jahre lang durch Fleiß und Ausdauer die harten Lebensbedingungen bezwungen und die deutsche Heimat gegen alle Verslawungsbemühungen verteidigt. Erst mit Unterstützung des großen Bruders aus dem Osten ist es den Tschechen gelungen, ihren Plan der Befreiung von den Deutschen zu verwirklichen.
Als Bettler kamen die Vertriebenen in ihre neuen Heimat an. Der Empfang in den neuen Bestimmungsorten war kein begeisterter. Die einheimische Bevölkerung hatte durch den Krieg selbst Arges erlitten und konnte den neu angekommenen meistens nur leere Räume ohne Inventar zur Verfügung stellen. Überall, wohin die Vertriebenen als Opfer der Vertreibung verschlagen wurden, begann eine rege Aufbautätigkeit. Man fand genügend Arbeit vor, wenn es auch nicht immer im erlernten Beruf war. Die schlimmste zeit gab es für die Frauen und Kinder, solange die Männer sich noch in der Kriegsgefangenschaft befanden. Während dieser Notlage half der Staat mitbescheidenen Alten- und Vertriebenenunterstützungen aus. Aus dieser Not heraus wurden mit neuem Lebensmut aus dem NICHTS neue Existenzengeschaffen.
Das Bewusstsein der heimatlichen Verbundenheit und Zusammengehörigkeit ist auch nach der Vertreibung erhalten geblieben. In den ersten Jahren waren es Heimattreffen einzelner Heimatorte gewesen. Mit gegenseitigen Fragen über den neuen Verbleib und das Wohlergehen, tröstete sich mancher über sein Schicksal hinweg.
Mit dem Erscheinen des ersten Heimatbriefes "BÄRNER LÄNDCHEN" im Jahre 1952 schuf der Heimatbuchverleger, Lm. Adolf Gödel (+) eine Verbindung auch mit den übrigen Kreisbewohnern. Gemeinsam mit den damaligen Kreisbetreuer des gesamten Landkreises Bärn, Rudolf Richter, wurden die seither allseits belieben Heimattreffen des Kreises ins Leben gerufen. In Langgöns wurde eine Heimatstube für die "Alten" und die "Jungen" eingerichtet. Im Oktober 2003 wird der Umzug in die neuen Räumlichkeiten (ehem. Rathaus von Langgöns) abgeschlossen sein.
Erfreulich ist, dass seit Jahren neben der älteren Generation auch viele junge und jugendliche Besucher (in der neuen Heimat geborenen Kinder und Enkelkinder der Heimatvertriebenen) an den Heimattreffen teilnehmen und sich für die alte Heimat interessieren. Auch wenn in ein paar Jahrzehnten die letzten, noch in der Heimat geborenen Vertriebenen, nicht mehr unter uns weilen ist ihr Vermächtnis und das Gedankengut an unsere sudetendeutsche Heimat nicht verloren gegangen sein - die Eltern und Großeltern haben bereits schon ihren Kindern und Enkelkindern das Bewusstsein ihrer Herkunft und Ihrer Wurzeln eingepflanzt und weitergegeben. Wir sind ein Volksstamm, der sich vor der Geschichte nicht zu schämen braucht. Wir waren Jahrhunderte lang der Garant des Deutschtums in den Ländern Böhmen, Mähren und österreichisch Schlesien. Wir können mit Stolz auf hervorragende Menschen zurückblicken und haben auch in der neuen Heimat durch unsere Strebsamkeit eigene Industrien geschaffen, die wieder Weltrum erlagt haben.
Die Wirren der Geschichte haben schon öfters Volksgruppen getrennt, z. B. die Hugenotten, die Wenden, die Sorben, ausgewanderte Polen im Ruhrgebiet, Frankreich, Amerika oder anderswo. Sie sind trotzdem, auch in den fremden Ländern, stets ihrer Kultur, ihrem Volksbrauch und ihrer Sprache treu geblieben. Auch die Gedanken unserer Nachwelt sollten mit Stolz das Bewusstsein an unseren sudetendeutschen Volksstamm erhalten, damit die Opfer unserer Ahnen und die Leiden der vertriebenen Generation von der Vergessenheit bewahrt bleiben.
Ferdinand Bahner
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