Erinnerungen an Stadt-Liebau

 

Unser täglich Brot ... Schwämm suchen
Winterfreuden daheim Heimatbräuche in der Karwoche
Sonnenwende - Johannisfeuer Adventskerzen
Fadernschleißn Weihnachten damals
Eine wahre Nikolausgeschichte von daheim Aus meinen Kindertagen - Heiliger Nikolaus
Brauchtum zur Weihnachtszeit Advent, wie's daheim war
Beim Frisör - früher und heute Das Laufbier
Erinnerungen an den Flachsanbau Heiliger Martin
Ein Weihnachtsbericht Kidnapping
In der Rinne sah ich einen hölzernen Gegenstand Das stille weiße Tal!
Der ominöse Dampftopf Traum von daheim

 

"Unser täglich Brot ..."

(von Rudi Klement; Bärner Ländchen August 2001)

Die meisten Bauersfrauen in unserer alten Heimat haben das "tägliche Brot" selber gebacken, so auch unsere Mutter, denn das selbstgebackene Bauernbrot war der ganze Stolz einer jeden Bauersfrau. Man macht sich heute keine Gedanken und Vorstellungen mehr über die viele zusätzliche Arbeit, die das Brotbacken verlangte. Ein Backtag war immer ein anstrengender Arbeitstag, denn eine gewissenhafte Vorbereitung war schon von Nöten und so manches stille Gebet wurde vorher zum Gelingen des Brotes gesprochen. Gebacken wurde alle vierzehn Tage bis drei Wochen, je nach Bedarf und Jahreszeit, denn an arbeitsreichen Tagen saßen zusätzlich Taglöhner mit am Tisch. Für uns Kinder war der Backtag immer ein froh erwartetes Ereignis. Wir durften bei den Vorbereitungen unserer Mutter helfen und wollten vieles, was das Backen bedarf, aus dem "Würzela" von ihr wissen. Wir Kinder hatten die Aufgabe, das Backofenholz aus dem Schuppen zu holen und in das Ofenloch unter dem Backofen zu stapeln. Die Holzscheite für den Backofen waren klobiger und länger als das normale Brennholz für den Küchenherd. Das Backofenholz wurde mit einer zweizinkigen Ofengabel im hinteren Teil des Backofens viereckig aufgeschichtet und zuletzt "die Underschier" (ein Reisigbündel) darunter geschoben, angezündet und nur zu einem Teil verbrannt, denn die Glut wurde dann mit einem Eisenrechen nach vorne gezogen und über die ganze Backofenfläche schön verteilt, damit der gesamte Ofenboden die nötige Hitze zum Backen bekam. Bevor die Brotlaiber in den Ofen kamen, wurde der Ofenboden mit einem "Kehrweesch" (Reisigbesen) gesäubert, damit keine Holzkohlenreste zurückbleiben, die sich beim Backen des öfteren in den Teig eindrückten und beim Essen noch zu finden waren. Für das Bedienen des Backofens benötigte man meines Wissens die zweizinkige Holzgabel, einen Schürhaken, einen Eisenrechen und den sogenannten Brotschieber (eine runde Holzplatte), auf der das Brot in den Ofen geschoben wurde. An allen Werkzeugen waren lange Stiele angebracht, um damit bis zum hinteren Teil des Ofens gelangen zu können.
Doch vorher musste der Brotteig zubereitet werden. Dazu gehörte erst einmal die "Bockdös", die meistens im Keller aufbewahrt wurde, damit sie nicht "derlaxt". Der "Mahlkostn" stand auf dem Boden. Er war unterteilt: auf der einen Seite für das Roggenmehl und auf der anderen Seite für das Weizenmehl. Der Sauerteig,der Restteig vom vorherigen Backen, lag noch mit einem Leintuch abgedeckt "ei de Muld", ebenso das "Knatscheit" und das Mehlsieb. Die sechs aus Stroh geflochtenen Brotschüsseln, die dem Brot die runde Form gaben und auf dem Brotrücken eine Verzierung hinterließen, standen in der Speisekammer auf einem Holzregal auf dem obersten Brett.
Nun zum Backen. Der Sauerteig wurde einen Tag vorher mit Milch aufgeweicht und vor dem Brotgang fein mit den Fingern zerrieben, damit keine großen Krümel zurückblieben. Für den Brotteig wurden 2/3 Roggen und 1/3 Weizenmehl verwendet. Im selben Verhältnis kamen Wasser und Molke hinzu, ebenso die erforderliche Menge an Salz und Kümmel. Diese Teigmasse wurde am Abend vor dem Backen richtig durchgeknetet und zum Aufgehen bis zum nächsten Morgen ruhen gelassen. Am nächsten Tag wurde der Teig mit dem "Knatscheit" nochmals durchgeknetet und dann zu gleichen Teilen in die Brotschüsseln gegeben, die dem Brot die bekannte Form gaben. Der restliche Teig wurde am Schluss zusammengekratzt, zu einem runden Klumpen geformt und als Sauerteig bis zum nächsten Backen aufbewahrt. War der Teig in den Brotschüsseln wieder aufgegangen, wurde der Brotlaib auf den Schieber gestülpt. Der Teiglaib mit einem in Wasser getauchten Tuch sorgfältig angefeuchtet und dann ganz vorsichtig in den mit einem "Virlicht" erhellten Ofen geschoben. Dann mit einem "Zocker" (zurück) der Laib an die vorhergesehene Stelle abgeladen. Nach einer Stunde etwa wurde das Brot umgesetzt, die vorderen Brote kamen jetzt nach hinten und umgekehrt. Das Umsetzen musste schnell erfolgen, damit das Brot nicht auskühlte. Nach einer weiteren Stunde wurden die Laiber herausgenommen. Das ganze Haus roch nach "neibockenen Brot" und ein jeder, der eine Nase voll abbekam, es "gelestrich wurn". Die Brotlaiber wurden in der Speisekammer oben auf einem Holzregal abgelegt, damit die Mäuse sich nicht daran ergötzen konnten oder es kam in die "Brotolmer". Mit dem Brot wurde in unserer Jugendzeit noch mit Andacht und Ehrfurcht umgegangen. Bei jedem neuen Abschnitt eines Brotlaibes wurde er erst mit dem Messer durch drei Kreuzzeichen gesegnet. Kein Krümchen ging verloren, ein jedes wurde aufgelesen, es durfte nicht verunehrt werden! "Tut och nischt vergrumpln, sunst misste die Brotgrumpln am jünstn Tog met blutigen Aogn suchn!" Vom neuen Brot wurde mehr gegessen, deshalb buken manche sparsamen (geizigen) Hausfrauen schon wenn noch zwei Laiber altes Brot vorhanden waren. Der erste Abschnitt vom Brot, "s'Kappla" war für uns Kinder am begehrtesten und es wurde so mancher Händel darum ausgefochten. Es gab verschiedene Bezeichnungen für ein Stück Brot: wie schon erwähnt "s'Kappla", "an Bessn", "a Ranftla", "a Schnetla" oder "große Schneet", "an Renkel" oder "gor an Keil". Am Laib durfte immer nur gleichmäßig abgeschnitten werden, "nie och den Faschtn". Brot das vom Felde zurrückgebracht wurde, war meistens etwas trocken geworden und wurde von Kindern als "Haslabrot" wieder swhmackhaft gemacht. Es gäbe noch viel Wissenswertes über "Unser täglich Brot" zu schreiben. Sollte ich etwas Wichtiges in meinem Bericht vergessen haben, bitte ich um Nachsicht. Wenn ich es zu backen hätte, würde ich bestimmt den Sauerteig vergessen.

 

Schwämm suchen

(von Fritz; Bärner Ländchen August 2001)

Suchen ist ganz und gar nicht der richtige Ausdruck, es gab sie in Hülle und Fülle. Man musste im Wald nicht lange gehen, um fündig zu werden. Erzählen wir heute unseren Kindern oder Enkelkindern davon, schütteln sie ungläubig mit dem Kopf. Die beste Zeit war der August und September, da konnte man wahrhaftig reichlich ernten. Die Saison fing mit dem Pfifferling an, wir nannten ihn im Volksmund "Hienlichn" und jeder wusste um was es sich hierbei handelte. Ihnen folgte die Rotkappe, Graspilz und Birkenpilz, Herrnpilz, gemeint ist der Steinpilz. Und dann der Tannenpilz, aber bei dem war schon Vorsicht geboten. Er war leicht zu verwechseln, weil er dem Teufelspilz vom Wuchs und Farbe sehr ähnlich war. Schnitt man beim Tannenpilz die Kappe an und sie färbte sich nicht gleich blau, so wusste man sofort Bescheid, dass es sich um einen Giftpilz handelt. Am beliebtesten war natürlich der Steinpilz. Er war geschmacklich allen anderen Sorten überlegen. Ich gehe auch jetzt noch gerne in den Wald um Pilze zu suchen, wobei die Betonung auf SUCHEN liegt! Selbstverständlich dachten auch die Leute an die Zeit im Winter und schufen sich einen Vorrat. Diese Pilze wurden dann getrocknet und gaben den verschiedenen Suppen einen sehr guten Geschmack. Es gab auch damals schon Maggi und Knorr, spielte aber in den ländlicheren Haushalten eine untergeordnete Rolle.

 

Winterfreuden daheim

(von Hans Wels; Bärner Ländchen März 2000)

Wenn ich mich in meine Kindheit zurückversetze, so muss ich oft an die Windmühlgasse und an meine Großeltern, Schwarz Tischler, denken. Der Winter bei uns in Stadt Liebau, wie auch überall im Ländchen, war jedes Jahr reichlich Schnee, Frost und Kälte gesegnet, so dass der Wintersport nicht zu kurz kam. Mit sechs Jahren bekam ich die ersten Skier zu Weihnachten geschenkt, von Opa in der Werkstatt gefertigt. Aus Eschenholz, 1,20 m lang, mit Schweinslederverbindung und Haselnussstöcken. Heute nicht vorstellbar - von Schuhwerk und Anzug ganz zu schweigen. Nach den ersten Stand- und Schrittversuchen ging es bald zu Werners Scheune, es folgten so nach und nach die ersten Schussfahrten mit immer längerem Anlauf. Im Laufe der Jahre ging es immer besser, denn während der Schulzeit wurden wir vom Fachlehrer Speil, einem begeisterten Wintersportler, auch im Skifahren und Schlittschuhlaufen unterrichtet. Es folgte vom Schneepflug angefangen, Schwungstemme, Christianner und Telemarkschwünge, erlernt wurde dieses auf "Ottes Berg" an der Herlsdorfer Straße. Schöne Hänge, Wäldchen und auch Teiche zum Schlittschuhlaufen waren alljährlich unsere Tummelplätze für den Wintersport. Ich denke an den Gromes-Wald, die Steinbrüche, Jahns-Berg, Hückelsberg, der Tepperteich und Ententeich, nicht vergessen möchte ich Hoblers-Wäldchen, in dem sich auch ein kleiner Teich befand. Diese Kuhle war früher ein Steinbruch, die Steine wurden angeblich beim Bau des Kirchturmes verwendet.
Schlittenfahren war in der Windmühlgasse unsere große Leidenschaft und auch gut geeignet, denn es ging immer talwärts, ohne auf Autos zu achten. Es gab nur wenige. Ganz oben wurde angefangen und ab ging es and den Häusern der Bewohner zur linken "Rotter-Hobler, Purr, Lehnert, Schwarz*, Potsch*, Slesak-Morbitzer*, Hartel*, Krätschmer*, Werner, Rieger-Christ, Drexler und Schnirch Gasthof*", quer über den Ringplatz bis zur Molkerei, Jetzt ging es wieder nach oben, denn es lief sehr gut, zwei bis drei Schlitten wurden zusammen gebunden und abwärts die gleiche Strecke, zur rechten der Häuser "Hofmann, Richter, Seidler; Pipper, Lehnert, Nowak und Schwarz-Fleischer*" vorbei. Ich nenne die Namen der Häuser nur noch zur Erinnerung. Die Namen, die mit einem Stern * versehen sind, die Häuser stehen noch, alle anderen sind abgetragen.
Oft gab es Bruch an Skiern und Schlitten, auch so mancher Sturz blieb nicht aus. Ein bis zwei Tage Zwangsferien in der Schule waren nicht selten, denn ein altes Sprichwort sagte: "Bevor Schwarz Karls Zaun nicht zugeweht, ist der Winter nicht vorbei". Fast jedes Jahr wehten die polnischen Winde, vor Opas Haus den Gartenzaun, mitunter bis zu zwei bis drei Metern zu und die Straße musste freigeschaufelt werden. Für uns Kinder war das eine große Freude, denn jetzt konnten Schneeburgen gebaut werden.
Leider mussten wir im Februar die Windmühlgasse für einige Zeit räumen, dann wurde eine Schlittenbahn für die Pferdeschlitten benötigt, auf welcher dann der Dünger auf die Felder in Richtung Glasbusch und Seibersdorfer gefahren wurde, denn die Pferde mussten ja auch im Winter bewegt werden.
Nicht vergessen möchte ich den alten Herrn in der Windmühle, waren wir richtig durchgefroren, ging es ab und zu mal zu ihm. An der Pforte hing ein Drahtseil, wir zogen an ihm, dann wurde ein Glöckchen in seiner Stube laut, war er gut gelaunt, ließ er uns rein, andernfalls rief er laut: "Verschwindet, ihr Karla".
Ich möchte meine Kindheit nicht missen, schön war sie doch! 

 

Heimatbräuche in der Karwoche

(von Hans Wels; Bärner Ländchen April 2001)

Mit dem Palmsonntag beginnt bekanntlich die Karwoche. An diesem Sonntag wurden in unserer alten Heimat in allen Pfarrkirchen Palmkätzchen geweiht. Es waren keine echten Palmzweige, die hätte sich niemand leisten können. Als Ersatz dienten Weidenruten mit den um diese Jahreszeit bereits erblühten Weidenkätzchen, von denen es in unserer Gegend entlang der Bäche und in den feuchten Niederungen jede Menge gab. Sie standen bei uns noch nicht unter Naturschutz wie hierzulande. Die Palmzweige wurden in manchen Gegenden kunstvoll geflochten und als kleine Sträußchen oder auch einzeln an den Kruzifixen im Hergottswinkel befestigt, was nach dem Volksglauben das Haus vor Blitzschlag schützen sollte.
Am Gründonnerstag läuteten beim "Gloria" in der Kirche alle Glocken zum Abschied, denn der Legende nach fliegen sie zu diesem Zeitpunkt nach Rom und verstummen bis zur Auferstehung in der Osternacht. Während der glockenlosen Zeit hatten wir Ministranten als Ersatz sogenannte Holzklöppel, mit denen wir während der Messe den Gläubigen Zeichen zur Wandlung und Kommunion gaben. Es gab auch sogenannte Osterratschen mit denen wir Jungs durchs Dorf liefen und das Mittagsläuten imitierten. Am Samstag früh ging es zur Holzweihe in die Kirche. Meistens war es ein Stück Lindenholz, das bei einem Feuer an der Kirchenmauer geweiht wurde. Aus dem weichen Lindenholz wurden kleine Kreuzchen geschnitzt, die mit einem Palmzweig auf jedem Stück Acker in die Erde gesteckt wurden ("Kreizlastackn). Mit etwas Weihwasser besprengt und einem kurzen Gebet für gutes Gelingen und Gedeihen der Saat im Boden befestigt wurde. Zum Teil fand man die Kreuzchen bei der Ernte wieder.
Die in den Kirchen verbliebenen "Palmbuschn" wurden vor dem nächsten Aschermittwoch verbrannt, die Asche gesegnet und am Aschermittwoch nach dem Gottesdienst den Gläubigen mit dem Aschenkreuz auf die Stirn gezeichnet, mit den Worten: "Gedenke, o Mensch, dass Du Staub bist und wieder zu Staub zurückkehren wirst."

 

Sonnenwende - Johannisfeuer

(von Brunhilde Lutz; Bärner Ländchen Juni 1999)

Am 24. Juni war früher bei uns Feiertag. Johannes der Täufer war unser Kirchenpatron. Einen Tag vorher wurde alles Holz, das man geben wollte, zum Sammeln an den Straßenrand gestellt. Mit Pferdewagen wurde es zu einem vorher ausgesuchten Platz gefahren und zu einem großen Haufen gestapelt. Diesmal war es auf dem Hutberg. Am Abend versammelten sich die Dorfbewohner im Oberdorf beim Wagner am Dorfeingang und zogen dann geschlossen,, die Jugend voran, singend zum Hutberg. Das Feuer wurde entzündet, die Menschen standen ringsum. Bei Vorträgen, Liedern und lustigen Streichen wurde der Haufen immer kleiner. Viele junge Leute hatten sich stumpfe Besen aus Birkenreisern mitgebracht. Diese wurden angebrannt und so im Kreise geschwungen, dass die Funken nur so flogen. Herrlich! Sobald das Feuer kleiner wurde, sprangen die Mutigsten darüber, während die anderen in großen Kreisen Reigen tanzten, wie zum Beispiel: "Hier ist grün, da ist Gras unter meinen Füßen. Hab' verloren meinen Schatz, wird' ihn suchen müssen. Such' ihn hier, such' ihn da unter diesen allen, wird gewiss wohl einer sein, der wird mir gefallen. Dreh' dich um, ich kenn dich nicht. Bist du's oder bist du's nicht? Ja, ja, du bist es wohl, der mein Tänzchen haben soll." (Nun zu Paaren getanzt!)
Hinter jenen Bergen - eins, zwei, drei, sitzen Sieben Zwergen - eins, zwei, drei. Und es war die erste Strophe, eins, zwei, drei, und es war die zweite Strophe eins, zwei, drei!" Die beiden, die sich gefunden hatten, gingen nun zusammen in den Kreis und das Spiel begann neu, bis alle einen Partner hatten und hinter dem "Bergen" tanzen konnten.
Das Tanzliedchen habe ich später öfters mit meinen Schulkindern getanzt und wir hatten unsere größte Freude daran. Wessen Erinnerung ist genauer? 

 

Adventskerzen

(von Brunhilde Lutz; Bärner Ländchen Feber 1999)

Kerzen, besonders Adventskerzen, sind für mich immer ein Zeichen der Hoffnung, der Sehnsucht und der Hingabe, ein Zeichen für etwas ewiges. Warum stellt man gerade in der Adventszeit vo viele Kerzen und Lichter auf? Es soll licht werden in unseren Herzen, sie sollen uns den Weg zum wahren Licht führen. Denn Gott selbst hat über der Welt ein Licht aufleuchten lassen, das nie mehr erlischt: Jesus Christus ist das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern das Licht des Lebens haben." (Joh. 8,12). Wie eine brennende Kerze hat er sein Leben verzehrt bis in den Tod am Kreuz für uns. Am Licht, das Jesus Christus ist, dürfen wir unsere Lebenskerze entzünden und somit selbst Licht werden. Lassen wir die Kerzen Ausdruck unserer Seelen sein. Lassen wir uns von Christi Licht anstecken und verwandeln. Albert Schweitzer sagt: " Wo Licht im Menschen ist, scheint es aus ihm heraus." Wo das geschieht, gibt es keinen Krieg. Da gehen die Lichter nie mehr aus, da wird es hell!

 

Fadernschleißn

(von Ehrentraude Rabel; Bärner Ländchen Feber 1999)

"Fadernschleiß", dieses Wort erweckt liebe Erinnerungen an daheim. Der Winter hatte seinen Einzug gehalten, lange Eiszapfen hingen an den Dächern und die Fensterscheiben waren mit herrlichen Eisblumen bemalt. Die hohen Schneewehen legten den Verkehr lahm und so manche Haustür oder Toreinfahrt musste morgens von den meterhohen Schnee erst freigeschaufelt werden. In der Sonne glitzerte der Schnee wie Kristall. Märchenhaft anzuschauen waren die mit Raureif behangene Bäume. Eine herrliche Winterlandschaft bot sich unseren Augen, die klare Gebirgsluft war ein Genuss für unsere Gesundheit.
Wie schön war es in diesen kalten Wintertagen in der warmen Stube, wo der Kachelofen eine angenehme Wärme verbreitete beim "Fadernschleißn". Frauen und Mädchen aus der Nachbarschaft wurden dazu eingeladen. Es wurde dabei erzählt, Dorfneuigkeiten ausgetauscht und dabei fleißig die Hände gerührt, damit der Haufen geschlissener Federn recht groß wurde. Unsere Nachbarin, die Mieck Franzen, hat dazu kräftig gesungen, es wurden Witze erzählt und man hatte viel Spaß dabei. Den letzten Abend ließ man mit Kaffee und Kuchen ausklingen. Für den Kaffee wurde die Gerste mit einer Pfanne geröstet, dann kam noch Zichorie dazu und etwas Bohnenkaffee. Dieser Kaffee schmeckte vorzüglich. In früherer Zeit wurde zum Kaffee nur Schmalzbrot gereicht, erst später dann wurde Kuchen gebacken.
An diesen Abenden wurden auch so manche Schauergeschichten vorgetragen, z. B. wo es überall gespukt und bzw. "gela-icht hout". Die verängstigten Mädchen mussten dann von dem Bauern nach Hause gebracht werden.
Den Abfall nannte man "de Keeln", die Kiele. Aus den Flügelfedern flocht man unsere bekannten "Potteweschlen". Sie wurden in der Küche als Fettpinsel verwendet. Während des zweiten Weltkrieges fanden auch "de Keeln" noch gute Verwendung, es wurden Bürsten hergestellt. In einem durchlochten Brett wurden "de Keeln" mit einer festen dünnen Schnur in die Löcher eingezogen, dann "de Keeln" gleichgeschnitten und fertig war die Bürste. Die Flügeln benutzte man als "Fladeweesch", heute Handfeger. Man konnte damit den Ofen ausputzen, den Kehricht zusammenkehren oder die Spinnweben wegmachen.
Die Not machte die Menschen im Krieg sehr erfinderisch. Heute wundert man sich über die tollen Ideen, die sie damals hatten.

 

Weihnachten damals

(von Herta Pipperek geb. Volker, Hombok; Bärner Ländchen Dezember 1998)

Ein trüber, grauer Spätherbsttag; sinnend saß ich beim Fenster, vor mir lagen die "Olmützer Blätter", in welchen ich eine Weile gelesen hatte, und nun ob der hereinbrechenden Dämmerung aufhören musste. Meine Gedanken waren weit, weit fortgewandert, zurück in die Heimat, die nach vielen, vielen Jahren unvergessenen in meinem Herzen lebt! Leise begann es draußen zu schneien, dicke Flocken blieben an den Fensterscheiben hängen und mit diesen Flocken wurde eine Erinnerung besonderer Art in mir wach - jene an die schönste Zeit des Jahres, die Weihnachtszeit! "Weihnachten damals, Weihnachten zuhause."
Eingebettet in Wälder und Berge, in einem wunderschönen Tal, dem Feistritztal, liegt mein Heimatort. Zu jener Jahreszeit, zu jeder Stunde der schönste Platz der Welt, den nichts und niemand mir ersetzen kann!! Angefüllt mit Erinnerungen an meine Kinder- und Jugendzeit. Im Frühling an Wiesen, leuchtend übersät mit Himmelschlüsseln, im Sommer an Kannen voll Walderdbeeren, an Schwammerlen, ans Baden in der Feistritz. Im Herbst an Kartoffelfeuer, an Stoppelrüben und Drachensteigen. Und im Winter, an Nikolo und Krampus und dann an Weihnachten mit Romantik und Lichterglanz. Ein wenig bescheidener als heute, aber viel, viel wärmer und herzlicher!
Gleich nach Nikolo, da fast immer schon tiefer Schnee lag, der Bäume und Zäune mit hohen Mützen zierte, begann es. Das erste "Zuckerwerk wurde gebacken, natürlich auch genascht, und nicht selten, erklärte mein lieber Vater mit Unschuldsmine: "Ich habe nichts genommen", obwohl in der Vorratsschachtel eine Ecke seltsam leer war. Wir wussten es alle ... alle Jahre wieder ...!
Niemals vergaß ich, nebst allerlei Vogelfutter den hungernden Vögelchen einige Stückchen Gebäck zu bringen. Im Frühling bedankten sie sich dafür bei mir! Ein seltsamer Zauber lag in der vorweihnachtlichen Zeit noch war "Friede auf Erden ...".
Die Tage verflogen mit Geheimnistuerei, mit Basteln und Vorbereitungen; unbemerkt hatte sich im Keller ein schöner Weihnachtsbau eingefunden, noch versteckt, denn es war ja noch Adventszeit! In den Zimmern war es herrlich warm und in der Küche wirtschafteten Mutti und Großmutter, zwei echte böhmische Köchinnen, unter deren Händen wahre Wunderwerke an "Zuckerwerk" entstanden. Auch der Striezel wurde nicht vergessen, und es war für Omama eine kleine Katastrophe, wenn eines der "Zopfgeflechte" aus schmackhaftem Teig obenrauf zerplatzte und etwas formlos wurde. Dabei schmeckte er genauso gut. Abends saß man dann gemütlich bei Tee mit Rum, Schmalzbrot und Striezel, und auch etwas Zuckerwerk wurde genascht. Stunden voller Frieden und Freude - und Zufriedenheit. Draußen glänzten die Sterne, der Schnee knirschte in der Winternacht, drinnen aber war es warm und gemütlich, denn alle waren ja "daheim" in Haus und Hof, mit Herz und Seele. 
Der Heilige Abend rückte näher, in manchen Geschäften gab es bunte Kugeln für den Baum zu kaufen. Für mich aber brachte das alles das "Christkind!" (auch wenn an den Sachen aus Schokolade die Firma "Zora" in Olmütz maßgeblich beteiligt war). Und dann kam ein besonderer Tag, fast so schön wie Heiligabend selbst. Mutti sagte: "Morgen fahren wir nach Olmütz und schauen uns am Oberring den großen Christbaum an". Damals verkehrte ein Autobus von uns nach Olmütz, und wir stiegen fast direkt vor dem "Riesen-Baum" aus, den wir gebührend bestaunten. Für Kinder war es wesentlich interessanter als das wunderschöne Rathaus samt historischer Kunstuhr - das Christkindl drückte da sicher ein Auge zu. Und dann gingen wir erst einmal einkaufen, anschließend zum Markt auf den Niederring. Die Marktfrauen mit ihren Gewürzen, heißen Kastanien und türkischem Honig, zählten zu meinen schönsten Erinnerungen. Die heißen Würstel bei "Popelka" waren dann zur zwingenden Notwendigkeit geworden, denn so ein Bummel macht hungrig. Inzwischen erstrahlte der große Weihnachtsbaum im Lichterglanz und des Bewunderns war kein Ende.
Und dann war es endlich soweit - "einmal wurde ich noch wach...". Am Tage des "Heiligen Abends" wurde bei uns zuhause gefastet, weil sonst die Kinder das goldene Schweinderl nicht zu sehen bekamen; ein alter, lieber Brauch. Nie sah ich es, hatte aber auch nie gefastet! Die Kleinigkeit zum Frühstück war mir etwas zu knapp! Ansonsten war der Tag mit Vorbereitungen angefüllt. Der Baum wurde geschmückt, die Zimmer geheizt, vom Keller allerlei Schüsseln gefüllt, Salate zubereitet und letzte Hand an alles gelegt! Uns Kindern kam das alles unendlich lang vor. Dann war es fast soweit, wenn mein Vater von der Jagd kam und sich noch rasch umzog. Jetzt wurde der Weihnachtskrapfen in die Pfanne gelegt, damit er rechtzeitig zart und knusprig sei.
Inzwischen war es dunkel geworden über dem Land. Die heilige Nacht senkte sich auf die Erde, Mensch und Tier gaben sich dem Zauber der Weihnacht hin, der heute, in unserer hektischen Zeit so ganz abhanden gekommen ist.
Alle gingen nun zu Tisch. Muttis Bruder, der allein lebte, Omama, meine Eltern und ich, nicht, ohne dass wir vorher für die Tiere ein wenig Gebäck in den Schnee gestellt hätten. Das Essen schmeckte vorzüglich, nur ich war schon etwas ungeduldig und steckte die Erwachsenen an mit meinem "Warten aufs Christkind". Niemals mehr hat sich in dem "neuen Land" an einem Weihnachtsabend diese "Zauberstimmung" wiederholt, sie war eng verknüpft mit dem Fleckchen Erde, das man "Heimat" nennt! Ich glaube, nur da, wo man geboren ist, wachsen solche Gefühle in einem Menschen.
Irgendwann war dann Mutti verschwunden, und bald ertönte ein silberhelles Glöcklein als Zeichen dafür, dass das "Christkindl!" gekommen war. Wir begaben uns nun, ich voran, in das Weihnachtszimmer, wo der schöne Baum, reich geschmückt, uns entgegen strahlte und allen so recht die "Weihnacht" brachte. Andächtig beteten wir vor dem Baum und dann erklang das alte schöne "Stille Nacht, heilige Nacht...", so recht mit Herz und vom Herzen gesungen. Alle waren dankbar, dass wir bei dem Baum vereint und in Frieden das Fest begehen durften! Wie schnell sollte es sich ändern.
Nach dem Lied erst, dem feierlichen Teil, wurden die Geschenke verteilt, keine pompösen Dinge, sondern Nützliches. Ich war damals noch in einem Alter, in welchem mir ein Spielzeug Freude bereitete. Später waren es dann meistens Bücher, sorgfältig von Onkel Poldi ausgesucht, die mich besonders erfreuten. Aber jeder war froh, jeder war zufrieden und der Weihnachtsabend zum schönsten Abend geworden. Man saß dann noch beisammen und erzählte, es gab Tee und Zuckerwerk, auch mal etwas Alkoholisches, denn mit Promillen hatte man damals noch keine Sorgen. Auch das Fernsehen störte noch keine dieser Idyllen.
Später, als Abschluss des festlichen Abends und des Tages, gingen wir gemeinsam zur Christmette; den verlorenen Schlaf dieser Nacht konnte man an den zwei folgenden Weihnachtsfeiertagen nachholen. Welch schönes Fest war das immer, herzlich und warm, beschützt von den Wäldern und Bergen der Heimat, Menschen, die einander alles bedeuteten. Wie lange ist das alles schon vorbei, wie viel Leid und Entbehrungen, auch Glück und ein ganzes Menschenleben liegen dazwischen. Geblieben ist nur die Erinnerung, die uns niemand nehmen kann, die man nicht vertreiben kann, - die Erinnerung an "Weihnachten damals - Weihnachten daheim"

 

Eine wahre Nikolausgeschichte von daheim

(von Maria Domes (Losert Schusters Ritschi); Bärner Ländchen Dezember 1998)

Unser Sohn war gerade vier Jahre alt und der Nikolaus hatte sich bei uns angemeldet. Er kam zur Tür herein, grüßte und fragte, ob hier Kinder wohnen. Unser Junge stellte sich vor den Nikolaus, sah ihn an und sagte: Nikolaus, bist du müde? Komm, setz dich her." - und zog ihm einen Küchenstuhl heran. Der Nikolaus - es war mein Bruder - drehte sich erst einmal zur Seite, um nicht laut herauszulachen, dann setzte es sich. Nun kam die wichtige Frage: "Bist du auch immer lieb gewesen?" Darauf antwortete unser Junge spontan: "Manchmal lieb und manchmal böse." Wieder musste der Nikolaus ein Grinsen unterdrücken. Auf die Frage: "Kannst du auch ein Gedicht?", antwortete der Junge: "Lieber; guter Nikolaus, packe deine Gaben aus, usw." Der Junge bekam eine Tüte mit Plätzchen und Äpfeln, dankte recht artig und der Nikolaus verabschiedete sich.
Etwa 25 Jahre später hatte derselbe "Junge" die große Ehre, in einem Kindergarten den Nikolaus zu vertreten. Natürlich gab es dort nur liebe Kinder; auch seine eigene Tochter war darunter. Alles verlief gut. Später am Abend erzählte das Mädchen zu Hause ganz aufgeregt: "Der Nikolaus war im Kindergarten und hatte genauso einen schwarzen Zahn wie Papa und genau die gleichen braunen Schuhe und die gleiche Stimme!" Als der Papa nach Hause kam, erfuhr auch er vom schwarzen Zahn des Nikolaus' und auch von den braunen - oh, es waren ja schwarze Schuhe, die Papa anhatte. Das Mädchen wurde unsicher und glaubte weiter an den echten Nikolaus.
Heute lachen wir über dieses Erlebnis und erzählen den Kindern die Geschichte vom heiligen Nikolaus, der vor langer Zeit, während einer großen Hungersnot, den Menschen geholfen hat und dass zur Erinnerung an diesen heiligen Nikolaus die Kinder heute ihre Gaben bekommen.

 

Aus meinen Kindertagen - Heiliger Nikolaus

(von Liesel Hiemer, geb. Beier; Bärner Ländchen Dezember 1998)

Ich ging schon einige Jahre zur Schule, aber an den Nikolaus glaubte ich noch fest. So kam es, dass ich auch immer recht artig betete, wenn der vor mir stand. In der Schule erfuhr ich dann, dass es Burschen aus dem Dorf waren, vor denen ich gebetet hatte und die mich am nächsten Tag auslachten: "Die hoat gebatt doß die Zehn geklppert hoan!. Das gefiel mir gar nicht. Deshalb nahm ich mir fest vor, dass mir das im nächsten Jahr nicht mehr passieren sollte. Die Zeit verging schnell und es kam wieder der Nikolaustag. Als es klopfte, machte die Mutter die Tür auf und der Nikolaus stand mit dem Krampus in der Küche. Die ganze Familie - auch die Großeltern - warteten auf die Dinge, die da kommen sollten. Meine Schwester Anni betete mit gefalteten Händen andächtig - nun kam er auf mich zu mit den Worten: "Kannst du beten?" stand er vor mir, worauf ich laut und deutlich sagte: "Ech konn schunn, ech will ober nie!" Der Nikolaus rief nun den Krampus zu Hilfe. Der packte mich bei den Händen und wollte mich mitschleppen. Da aber war es mit meinem Mut zu Ende. Der Blick ging zur Mutter, dabei sagte ich: "Mutter, helf mer". Am nächsten Tag in der Schule wussten alle, dass ich um Hilfe gebettelt hatte. Es wurde über mich gelacht, schlimmer wie im vorigen Jahr. Ich hätte besser gebetet.
Die beiden, die mir so übel mitgespielt hatten, waren der Wetzel Pepi und der Rohm Georg. Wartet nur, wenn ich Euch erwische!!
Ich wünsche allen einen schönen Nikolausabend und mein Rat: betet schön, dann kommt ihr auch nicht in den großen Sack!!!!!

 

Brauchtum zur Weihnachtszeit

(von Rudi Klement; Bärner Ländchen Dezember 1998)

Zu jeder Jahreszeit wird bei allen Völkern überliefertes Brauchtum gepflegt. Im Besonderen geschieht dies bei Anhängern christlicher Religionszugehörigkeit in der Vorweihnachtszeit. Schon Ende November mit Beginn des Kirchenjahres wird am 1. Adventsonntag der Adventkranz, geflochten aus Tannen- oder Fichtenreisern, versehen mit vier roten Kerzen, Schleifen zur Verzierung, in der Kirche aufgehängt. An jedem der vier Adventsonntage wird - so will es der Brauch - eine Kerze mehr angesteckt, um so das Nahen des Weihnachtsfestes anzudeuten. Auch in nichtchristlichen Familien hat dieser Brauch Einzug gehalten. Nachdem er um das Jahr 1860 in seiner heute noch gebräuchlichen Form sozusagen erfunden worden war, konnte er sich zu Beginn dieses Jahrhunderts, besonders nach dem 1. Weltkrieg in den Kirchen und Privathäusern allgemein durchsetzen und ist in Besonderheit im deutschen Sprachraum heimisch geworden. Die Volkstümlichkeit dieses Brauches findet in vielen Liedern und Gedichten seinen Ausdruck.
Ein besonders freudiges Ereignis für die erwartungsfrohen Kinder in der Vorweihnachtszeit ist das Erscheinen des Adventskalenders, der für die Tage vom 1. bis 24. Dezember je ein Geheimfach enthält, in dem Süßigkeiten versteckt sind und das jeweilige Datum auf dem Kalender von den Kindern erst gesucht werden muss. Der nächste Tag kann kaum erwartet werden und die Versuchung ist recht groß, nicht vorher schon zu naschen.
Am 4. Dezember ist der Gedenktag der hl. Barbara, die nach der Überlieferung in Nikodemien am Südstrand des Schwarzen Meeres im 3. Jahrhundert gelebt haben soll. Ihre Symbole sind Kelch, Zweige und Turm und ihr Leben ist von vielen Legenden umrankt. An ihrem Festtag werden vielerorts sogenannte "Barbarazweige" aufgestellt. Die kahlen abgeschnittenen Kirschbaumzweige werden in Wasser gestellt und beginnen in der warmen Stube zu treiben und blühen zur Freude aller zu den Weihnachtsfeiertagen. Der Brauch ist in neurer Zeit recht beliebt geworden.
Der Sankt Nikolaustag am 6.Dezember war in der alten Heimat in unserer Kindheit ein ganz besonders erwartungsvoller Tag. Viele Kinder sahen ihn mit gemischten Gefühlen entgegen, je nach gutem oder schlechtem Gewissen, denn der hl. Nikolaus hatte ein gar dickes Buch, in dem alle Vergehen, aber auch die guten Taten der Kinder, die sie im Laufe des Jahres begannen hatten, verzeichnet waren. Bevor jedoch der hl. Nikolaus aus dem Buche las (am Abend vorher), mussten die Kinder ein besinnliches Verslein, meistens ein Gedicht, vortragen, was vor lauter Aufgeregtheit und Scheu meistens mißlang. Großen Respekt vor den ungezogenen Kindern verschaffte sich der hl. Nikolaus mit seinem Begleiter, dem Krampus. Meistens als Teufel verkleidet, mit Hörnern an der Stirn, Kettenbeladen, eine Züchtigungsrute schwingend, verschaffte er sich auch bei hartgesottensten Lausbuben Respekt.
Meine Schwester Anschi, die aus ihrer Sicht diesem Kindheitsglauben entwachsen war, musste der Krampus - um sie zur Räson zu bringen - an der hinter unserem Elternhaus wachsenden knorrigen Eiche festketten. Für die lieben Kinder, meistens waren sie es an diesem Abend alle, gab es immer kleine Geschenke und Süßigkeiten. Als "Neckel und Krampus" kamen zu uns immer Schneider Hannes, Gustl und sein Bruder Viktor.
Zum Weihnachtsfest war und ist bis heute ein Christbaum gebräuchlich und wird fast überall in der christlichen Welt mit Lichtern, bunten Kugeln und Lametta geschmückt. Ein Tannenbäumchen oder Fichte wird dafür verwendet. In Frankreich und England wird zu Weihnachten eine Mistel als Glücksbringer geschmückt.
In unserer Kinderzeit in der alten Heimat musste es zur Ehre des Christbaums schon eine schön symmetrisch gewachsene Tanne sein. Als Schmuck dienten Äpfel, Schifttlen, in Silberpapier eingewickelte Walnüsse, selbstgefertigte bunte Papierschlangen, als Ersatz von Lametta, denn Geld für Christbaumschmuck wurde höchstens in Glaskugeln angelegt. Die Baumspitze wurde aus Buntpapier selbst gefertigt. Die kleinen Wachskerzen waren echt. Es gab noch keine elektrische Beleuchtung. Unsere Großmutter brachte von Bodenstadt immer zu Weihnachten einige bunte Zuckerstangen und Pralinen als zusätzlichen Christbaumschmuck mit, den sie angeblich unterwegs vom Christkind, das in einem von einem Schimmel gezogenen Schlitten an ihr vorbei gefahren war, für uns Kinder mit. Sogar Goldhaare von den Engeln hingen noch an diesen Geschenken. Man kann sich sicher gut vorstellen, dass diese Süßigkeiten nicht so schnell vernascht und lange in Ehren gehalten wurden.
All diese schönen Sachen brache uns damals das Christkind und nicht der uns noch unbekannte Weihnachtsmann.

 

Advent, wie's daheim war

(von Ambrosch Ernst; Bärner Ländchen Dezember 2000)

Der Sturm fegte die letzten Blätter von den fast kahlen Bäumen und Sträuchern. Am Himmel graue Wolken, Wiesen und Felder sehen grausilbern aus. Alles schien für den Winter vorbereitet zu sein. Längst sind die Felder abgeerntet, das Getreidegedroschen, die Scheunenkater zum Nachbarn gebracht, der noch nicht ausgedroschen hatte. Das Wintergetreide ist rechtzeitig gesät worden, dass es bis zum Winter kräftig dastand. Die Scheunen mit Heu und Stroh, der Keller mit Kartoffeln und Rüben gefüllt. Die fleißigen Bienen, die den Sommer über viel Honig eingetragen hatten, halten Winterruhe. Bevor es richtig kalt wurde, schnitt unser Vater die am Bach stehenden Weidenruten. Daraus machte er während des Winters Körbe in verschiedenen Größen, kleinere für die Obst- und Kartoffelernte, größere für Häcksel und Spreu, und ganz große Heukörbe. Die Gänse stopfte Mutter mit Zlitschgern, dass sie viel Schmalz ansetzten bis zum schlachten. Als Wintervorrat wurde Kraut eingeschabt. Anfang Dezember ist ein großes Schwein geschlachtet worden und Sautanz zurück gebracht worden, von denen wir auch bekommen hatten. Es kostete schon etwas Überwindung, vor dem Schulunterricht die Roratemesse zu besuchen. Ganz feierlich klang das "Rorate coeli resurey", das unser Pfarrer zum Beginn der Rorate in der hell erleuchten Kirche sang. Seid nicht unartig, sagten unsere Eltern manchmal, sonst bringt euch der Nikolaus nichts, und der Krampus nimmt euch mit. So versuchten wir Kinder vor dem Nikolaustag brav zu sein und bekamen einen Teller mit Backwaren, Schokolade, Orangen und Nüssen vor die Haustür gestellt. So früh aufgeklärt waren wir Kinder damals nicht und glaubten länger an Nikolaus und Christkind. Einige Jahre später machte ich dann selber Nikolaus und nahm einen Krampus mit. Über Nacht hatte es viel geschneit, alles sah am Morgen so schön weiß und hell aus, als ich aus dem Haus ging. Bei schönem Frostwetter gingen unser Vater und ich Birkenreisig holen zum Besen binden. Meistens erst im neuen Jahr wurden die Federn geschlissen, da mussten die größeren Kinder schon mal mit helfen. Kurz vor Weihnachten wurde ein Tannenbaum aus dem Wald geholt, der am Heiligen Abend mit Kerzen besteckt und mit glitzernden Kugeln, Äpfeln und "Schifftlen" (Zuckerwerk) behängt war. Das Christkind brachte was zum Naschen, Winterkleidung, Handschuhe oder Schal vom Paten. In der Christmette um fünf Uhr morgens war es besonders feierlich, der Chor sang, von den Kirchenmusikern und Orgel begleitet, festliche Lieder. Zu den vielen Kerzen auf den Altärenerhellten 60 Kerzen auf einem großen Christbaum zusätzlich die Kirche. In der anschließenden Hirtenmesse erklang das Lied: "Hirten auf um Mitternacht, erhebt euch aus dem Schlafe!" Meistens waren die Winter kalt mit viel Schnee und wir hatten lange Gelegenheit zum Schlittenfahren.
Manchmal noch höre ich im Winter aus der Ferne das Geläute der Pferdeschlitten wie damals bei uns daheim, man muss nur genau hinhören!

 

Beim Frisör - früher und heute

(von Maria Domes (Losert Schusters, Ritchi); Bärner Ländchen September 1998)

Will man als kultivierter Mensch erscheinen, gehört zur Körper- auch die Haarpflege. Früher war das ganz einfach. Einmal in der Woche nahm man ein Vollbad im Waschtrog mit Kernseife - ohne Fa und Shampoo - und das war es schon! Nur an besonderen Festtagen, z.B. an Fronleichnam oder beim Feuerwehrfest wollten die Mädchen besonders schön sein. Jede wollte gelocktes Haar. Da wurde Mutters Kulmschere oder Brennschere aus de Schublade geholt, das Ofentürchen aufgemacht und die Schere in der Glut heiß gemacht. An Zeitungspapier wurde geprüft, ob die Schere die richtige Hitze hatte und dann ging es los. Immer schön nebeneinander die Schere in das Haar geschoben und die schönsten Wellen entstanden. War die Schere mal zu heiß, gab es einen Aufschrei und weiter ging es, bis der ganze Kopf voller herrlicher Wellen war. Wir hatten keine Brennschere, aber Mutter wusste Rat. Sie nahm Zuckerwasser, feuchtete damit meine Haare an und flochte dann viele kleine Zöpfchen. Waren die Zöpfchen trocken, wurden sie aufgemacht und man hatte lauter Löckchen. Ich war zufrieden und fand mich schön. Und wie ist es heute? Zuerst einen Termin für Dauerwelle vereinbaren, dann zwei bis drei Stunden auf dem Stuhl sitzen, dich bearbeiten lassen und wenn es an der Kasse zum Bezahlen geht, stehen dir deine haare schon zum ersten Mal zu Berge.
Aber immerhin halten diese Locken etwas länger, als die mit der Kulmschere.

 

Das Laufbier

(von Alois Agel; Bärner Ländchen September 1998)

Daheim in Kriegsdorf war meine Mutter immer bedacht, in den Sommermonaten einen kräftigen Haustrunk herzustellen. Es war ein selbstgebrautes Bier, das es in sich hatte. Sogar in der neuen Heimat hat sie das Getränk noch einige Male zubereitet. Es wurde in Flaschen mit Korkenstöpsel abgefüllt, denn damals gab es ja noch keine Schraubverschlussflaschen. Oft kam es vor, dass es die Stöpsel heraustrieb und das Bier davon lief, bevor man zum Trinken kam.
Während des Krieges - mein Vater war eingerückt - bekamen wir öfters vom Bauernführer einen Ukrainer als landwirtschaftlichen Helfer zugeteilt. Es war der Stanislaus, der im Dorf als fleißiger Arbeiter bekannt war. Wir hatten damals auf der "Geppertzoer" bei unserem Wald ein Stück Gerste, das zum Abmähen reif war. Stanislaus mähte wie eine Maschine, rundherum. Ich habe zum Vesper auch von dem guten Bier aufs Feld gebracht, auf das er sich sehr freute. Als meine Mutter kam, war sie erstaunt, denn das Stück Gerste war schon gemäht. Als sie dann Stanislaus fragte, wie denn das Bier geschmeckt habe, sagte er: "Oh Frau, das Luder-Bier alles laufen."

 

Erinnerungen an den Flachsanbau

(von Otto Scharmann; Bärner Ländchen September 1998)

Seit langer Zeit wurde bei uns in Christdorf und in vielen Nachbargemeinden Flachs angebaut. Der Anbau des Flachses war von der Aussaat bis zum Verkauf mit viel Arbeit verbunden. Zunächst musste das Saatfeld sorgfältig vorbereitet werden, da die Saat nur in lockeren, gut gegartem Boden keimt und zum Wachsen kam.
Auf dem Hof meiner Pflegeeltern (Familie Polzer) wurde ich mit allen erforderlichen Arbeits- und Pflegemaßnahmen vertraut. Hätte der Flachs seine Reife erreicht, wurde er mit den Wurzeln aus der Erde gezogen (gerauft) und in Mandeln zum Austrocknen aufgestellt. Sobald er trocken war, wurde er eingefahren und die Samenkapseln (Knotten) mit einer Spezialdreschmaschine vom Flachsstroh getrennt. Anschließend wurde der Flachs in dünne Schwaden auf ein bereits abgeerntetes Stoppelfeld zum Rösten ausgebreitet; nach einigen Tagen gewendet. Nachdem Tau, Sonne und Regen die Hülsen gebleicht hatten, wurde der gut getrocknet eingefahren und später an die Flachszubereitungsanstalt in Altliebe verkauft. Im 2. Weltkrieg musste mehr Flachs angebaut werden als vorher, obwohl weniger Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Im Jahr 1941 oder 42 kaufte die Raiffeisenkasse eine Flachserntemaschine, welche von den Bauern gemietet werden konnte.
Der erste Einsatz erfolgte auf einem Feld meiner Pflegeeltern; ich selbst lenkte das Pferd, während ein Betreuer die Maschine bediente. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, welche von unserem Dorfschmied Herrn Hugo Hausotter abgestellt wurden, arbeitete sie sehr gut. Die anderen Arbeiten mussten nach wie vor mit den Händen getan werden. Der beim Dreschen gewonnene Leinsamen, wurde gereinigt im nächsten Jahr als Saatgut verwendet, verkauft oder in den Ölmühlen zu köstlichem Leinöl verarbeitet. Unsere Vorfahren hatten noch viel mehr Arbeit, denn sie mussten den Flachs in den Brechäusern brechen und die Hülsen (Ennen) entfernen. In Christdorf gab es mehrere Brechhäuser, welche angeblich alle abgebrannt sind und nur mehr die Fundamente auffindbar sind. Als es 1945 kein Fett mehr zu kaufen gab, kamen einige Männer auf die Idee, den aus der letzten Ernte noch vorhandenen Leinsamen mit einer selbst gebauten Ölpresse zu verarbeiten. Der Lein wurde fein geschrotet, erhitzt in die Presse gefüllt und ausgepresst. So wurde der Leinsamen, welcher als Saatgut für das nächste Jahr gedacht war, für unsere Ernährung verwendet.

 

Heiliger Martin

(von Richilde; Bärner Ländchen November 2001)

Am 11. November den Tag des Heiligen Martin, wandern meine Gedanken in die Kinderzeit. Ich sehe das "Martinini-Hörndla" zwischen den Fensterscheiben, im Haus meiner Großeltern, Mühlberggasse 4, vor mir. Der Heilige hatte sich eine gute Bäckerin, meine Großmutter, ausgesucht. Das große "Hörndla", das ich andächtig betrachtete, war mit Mohn und "Rosinken" gefüllt und dicht mit groben Hagelzucker bestreut, er knirscht mir heute noch zwischen den Zähnen. Ich war glücklich und verzehrte es nur in kleinen Stücken. Meine liebe Mutter har es dann für uns Kinder, meinem Bruder und mir, aus Hefebutterteig dem lieben Martin gebacken, später noch für die beiden Enkelinnen. Weil sie so brav waren, hatten die Hörnle eine rote Schleife. Tochter Sigrid-Maria hält noch die Tradition aufrecht. Ihre 24-jährige Tochter Gudrun bekommt verspätet eines, wenn sie diese Woche aus Wien heim kommt. Dieser schöne Brauch sollte nicht untergehen!
Der heilige Martin, der Vorbote vom Nikolaus, der heutzutage, schön angetan, die Kinder beschenkt, kam zu Großvaterszeiten als "verschamerierter" furchterregender "Niklkarla", klirrte mit der Kette und prügelte die erschreckten Kinder, die ohnehin brav waren und die Strafe nicht verdient hätten. Kinder der Weber, und das waren in Bärn die meisten Bewohner mussten vor und nach der Schule das Garn zum webern "spulen". Freizeit kannten sie kaum. Einmal trug es sich zu, dass zwei "Niklkarla" zu einer Familien kamen, einen großen Sack hatten und den schreienden Buben hineinsteckten. Die Eltern riefen ihnen noch zu: "Nahmt nen mit, dan biesen Karla, nahmt nen mit!" Ihr Schrecken aber war groß, als das Kind nie mehr gesehen wurde und nicht zurückkam. In der damaligen intakten Zeit ein erschütterndes Geschehen!
Vielleicht kennt ihr noch den Spruch: "Ich bin der Nickel aus dem Schneegebirg, ich hab schon 1.000 Kinder erwürgt, ich bin der Nickel aus Zussen und bring viele Äppel und Nussen!" - Auf letzteren hat man gewartet, denn ein paar Süßigkeiten waren auch dabei. Die heutigen Kinder haben größere Wünsche, ob die Erfüllung gut ist?
Wie glücklich können wir sein, dass wir den "Knecht Ruprecht", der "von drauß' vom Walde" zu uns kommt, noch erleben dürfen. "Chrestkendla fohr rem, schiet bei unserm Tor em, loß die Äppl olla legn, doß ber kinna klabn gehen" - letzteres würde wohl a bißla schwer gehen, mit unserem alten Kreuz!

 

Ein Weihnachtsbericht 

von Frau Richilde Stöhr/Baschke aus Bärn (Bärner Ländchen; 12.2003)

Der Rummel um die ausgehöhlten Kürbisse und das Halloween-Feiern zwingt mich, alle Heimatfreunde zu grüßen und die Zeit um viele Jahre zurückzudrehen.
Am 30. November, dem Andree-Abend, versuchten die Mädchen, besonders die, die verliebt waren, das Schicksal zu erforschen. Aufgestellt in der Stube, mit dem Rücken zur Tür, warfen sie den "Schleppschuh" über die Schulter. Zeigte die Schuhspitze zur Tür, war die Heirat im kommenden Jahr sicher, andernfalls hieß es: warten.
Meine Mutter, die mit ihrer Freundin Anna Schamarek die Bräuche in unsere Heimat mitgebracht hatte, erzählt von einem nächtlichen Anruf, stehend im Bett mit folgenden Worten: "Bettstadt, ich tret´ Dich, Hl. Andreas ich bitt Dich, lass mir im Traum erscheinen den Herzallerliebsten meinen!"
Ob dies der Heilige vermittelt hat?
Fleischhauerei Schamaek hatten im Hof einen Hühnerstall. Anna und Emma, meine Mutter, die oft dort war, auch am Andreas-Abend, warteten bis Mitternacht, gingen dann in den Hühnerstall und stocherten die schlafenden Hühner auf, denn der Spuk lautete: Kräht der Hahn, kriegst an Mann, gackert die Henn -weiß Gott: wenn!
Unsere Heimatbräuche werden vergessen, alles was über den großen Teich kommt, wird übernommen. Auch die "stade Zeit" des Advents erstickt im Geschäftsrummel.
In der Erinnerung freue ich mich heute noch darüber, wie schön sie war. Besonders die drei Jahre, die ich an der 2-klassigen Volksschule in Nürnberg war. Besonders die Kleinen, die auch am Nachmittag Unterricht hatten und alle noch ans "Christkind" glaubten, nahm ich in der Dämmerung, die in der warmen Stube herrschte, zum Erzählen vom Nickel und dem Krampus. Beide hatte ich an die Tafel gezeichnet mit dem "Von drauß vom Walde komme ich her, ich muss euch sagen es weihnachtet sehr!" Es ging dem Lauschenden in ihre guten Herzen hinein. Ob nicht die neugierigen Engerln zum Fenster rein geschaut haben? Dann ließ ich alle einen Brief ans Christkind schreiben: mit der Adresse "Himmelspost 3", an die dann später auch meine beiden Töchter ihre Bitten richteten.
Wenn ich heute den Inhalt wiedergebe, klingt es unglaublich. Ich las: Liebes Christkind:Ich wünsche mir einen Griffel und einen Bleistift oder einen Federstiel und eine Feder. So bescheiden, da aus armen Familien die Schüler kamen, ging es weiter. In der 3. Bank saß die Heichel Leni, ein besonders aufgewecktes, gescheites Mäderl, Tochter vom Heichel-Tischler, die mir vor Jahren erzählt hat, dass sie von mir ein Kugelspiel bekommen hätte und darüber besonders glücklich war. Aber der Inhalt eines Christkindel-Briefes rühre mich immer noch so, dass ich die Tränen nicht stoppen konnte, denn ich las: "Liebes Christkind und für das Fräulein Lehrerin ein "Seidenkleid"! Etwas, das ans Unwahrscheinlichste und Kostbarste für den Schreiber oder die Schreiberin grenzte.
Für diese Kinderliebe danke ich heut noch mit meinen 90 Jahren.

 

Kidnapping??? 

(Fosefa Greiner, geb. Hartel; Bärner Ländchen 12.2003)

Alle Jahre um die Nikolauszeit erzählte meine Mutter meinen Kindern die Geschichte vom Scherner Franz. (Meine Mutter wohnte bis zu ihrem 86sten Lebensjahr in meinem Haushalt und hielt die Erinnerung an Bautsch in unserer Familie wach).
Scherner Raimund war ein großer und angesehener Bauer in der Niederan an der Uferstraße. Das Anwesen kaufte später Mader Holdi.
Die Scherners hatten einen einzigen Sohn, ein übermütiger Lausbub, dam man so manchen Streich nachsah, oft zum Ärger der Dienstboten.
An einem Nikolausabend, der Heilige war schon da, hörte man im Hausgang Kettenrasseln und Rutenschlagen. Franz war wie gewöhnlich noch nicht im Bett. Zur Überraschung aller standen auch schon zwei schwarz gekleidete Männer in der Küche. Franz musste hinter der Bank hervorkommen; man hielt ihm allerhand Schandtaten vor, schlang schließlich einen Strick um seinen Leib und zerrte ihn hinaus. Frau Scherner jammerte, aber die Knechte lachten sich ins Fäustchen und gönnten ihm die Strafe. Als nach längerer Zeit Franz nicht zurückkam, machte man sich auf die Suche. Der Schneesturm hatte alle Spuren zugeweht. Jemand entdeckte Spuren, die über den Hutberg in Richtung Schwansdorf wiesen. Jetzt wurde es gefährlich! Im diffusen Licht erkannten die Knechte drei Gestalten und hörten Hilferufe. Als die Verfolger immer näher kamen, machten sich die zwei davon und ließen den Jungen barfuß im Schnee zurück. Man trug ihn heim, rieb ihm mit Schnee warm und steckte ihn ins Bett. Franz wurde schwer krank, eine Lungenentzündung, gegen die man damals nichts ausrichten konnte. Ob der Bub daran gestorben ist, weiß ich nicht mehr, jedenfalls starb er im Kindesalter. Familie Scherner verkaufte später den Bauernhof. Mit dem Geld taten sie in Bautsch viel Gutes. Sie stifteten z. B. ein Kirchenfenster auf der rechten Seite vom Hochaltar. Nach dem Tod des Mannes verbrachte Frau Scherner ihren Lebensabend bei Frau Halbgebauer, der Mutter von Halbgebauer Lisl.
Der Vorfall wurde polizeilich verfolgt, aber ohne Ergebnis.

 

In der Rinne sah ich einen hölzernen Gegenstand 

(Gerlinde Kunzmann; BL 12.2003, eine Weihnachtsgeschichte)

Meine Weihnachtsgeschichte ereignete sich im Kriegswinter 1944/45 in einer Stadt im Sudetenland. Die Stimmung war gedrückt. Die Stadt war zerstört, viele Einwohner waren schon geflüchtet, und man bangte schon, ein erneuter Angriff könnte die Stadt gänzlich dem Erdboden gleichmachen. Immer wieder fielen einzelne Häuser den Jagdbombern zum Opfer. Auch mein Elternhaus wurde getroffen. Wir bemühten uns, die Möbelstücke und Bilder, die im Rest des Hauses verschont worden waren, herausholen und auf einem klapprigen Leiterwagen bei Verwandten und Bekannten in Sicherheit zu bringen. Jeden Tag pilgerten wird zu unserem Haus und sammelten ein, was uns noch geblieben war.
Eines Tages stand ich beim Aufladen am Rinnstein an der alten Laterne vor den Trümmern unseres Hauses. Zufällig blickte ich zu Boden. Ich entdeckte dort einen kleinen hölzernen Gegenstand, der mir so sonderbar bekannt vorkam. Ich hob ihn auf, reinigte ihn etwas und hervor kam das geschnitzte Christkindlein unserer Krippe. Ich war eigenartig berührt. Ich dachte, wo das Kind ist, muss auch die Mutter sein. Und so war es auch. Einen Schritt weiter lag sie, ebenfalls im Rinnstein. Jetzt fehlte nur noch der Josef. Auch diesen fand ich. Es ergriff mich eine große Dankbarkeit, aber auch eine derartige Zuversicht und Mut, dass ich den Entschluss fasste, mein Leben wieder neu in die Hand zu nehmen und trotz des Verlustes meines Elternhauses weiter zu machen.
Und jedes Jahr, wenn ich die Krippenfiguren auspackte und sie unter den Weihnachtsbaum stelle, erinnere ich mich daran, wie ich sie vor fast 60 Jahren in der Straßenrinne wieder gefunden habe. Damals - daheim.

 

Das stille weiße Tal! 

(M. Müller / Kral; Bärner Ländchen 12.2003)

So war es daheim!
Berge, Hügel, Feld und Wald haben ein blütenweißes Kleid angelegt. Die Sonne scheint wohl ab und zu, aber sie strahlt kaum Wärme aus. Dafür hat Väterchen Frost von der Natur Besitz ergriffen. Teiche, Bäche und auch der noch junge Oderfluß sind zugefroren. Für Besucher die nur für kurze Zeit im Tal weilten, mag diese weiße Herrlichkeit berauschend gewesen sein. Doch für uns, die wir dort lebten war es schon oft eine recht harte Zeit. Und doch möchte ich die Jahre in der Heimat nicht missen. Die winterliche Stille, das lautlose Fallen der Schneeflocken, die Vögel auf der Fensterbank, die Wärme die der Kachelofen ausstrahlte und ein heimeliges Gefühl verbreitete, besonders wenn in der Backröhre noch ein paar Äpfel zum Braten lagen, deren Duft uns in die Nase stieg, und uns das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Ja das war ein typischer Wintertag in unserem Tal. Unser alter Nachbar, von uns allen nur Kleiber Vetter genannt, hatte die wunderbare Gabe, Geschichten so spannend zu erzählen, dass alle Kinder in der Nachbarschaft mucksmäuschenstill und mit offenen Mündern an seinen Lippen hingen, um ja nichts von diesen wundersamen Geschichten zu versäumen. Da gab es sprechende Tiere, Hirsche, Rehe, Hasen, Igel, ja sogar Feldmäuse mit denen er sich unterhalten hatte und die ihm von ihrem Leben im Wald berichteten und welch seltsame Dinge sich des Nachts oder an feuchten nebligen Tagen dort zu trugen. Zwerge und gute Feen die ihm bei der Arbeit halfen. Und wir alle waren erstaunt was er, ohne dass es jemand wusste, schon erlebt hatte. Ob es nun Wahrheit oder Wunschdenken war, welches Kind wollte das schon wissen. Seine Erzählungen waren so spannend und lebendig, dass wir Kinder glaubten mitten drin zu sein und es selbst zu erleben. Auch wusste er recht seltsame Dinge aus der Zeit seiner Kriegsgefangenschaft in Russland, nach dem ersten Weltkrieg zu berichten. Von den weiten Steppen, den kalten Wintern, die mit unseren nicht zu vergleichen waren. Und dass während dieser kalten Zeit, dort alle Menschen in Pelze gehüllt waren. Für uns war das unvorstellbar. Aber für ihn war es sein Traum. Seine besondere Welt.
Aber da gab es auch noch den Vater meiner Freundin. Dieser war Schumacher und hatte eine kleine Werkstatt. Im Sommer war das alles völlig uninteressant. Aber im Winter wenn es draußen vor Kälte klirrte, flüchteten wir uns oft dort hinein. Da gab es einen Bottich mit Wasser in dem Leder eingeweicht war, welches dann später weich geklopft wurde, damit es die richtige Geschmeidigkeit erreicht. Denn der Polzer Vetter war bekannt dafür, dass er gute bequeme und passende Stiefel machte. Ganz gleich, ob aus Leder oder Filz. Filzstiefel wurden bei uns den ganzen Winter über getragen, solange der Schnee fest und trocken war. Sie sorgten für warme Füße.
Ein eiserner Ofen stand da noch in dem kleinen Räumchen. Der bullerte und bullerte so, dass er des öfteren zu glühen begann. Denn er war nicht mit Schamotte ausgekleidet. Ein ganz sonderlicher Geruch war da in der Werkstatt. Nach Leder, Schusterpech, Holznägeln und was sonst noch zu diesem Handwerkgehört. Meistens bekamen wir ein Stück Abfallleder, in das wir mit Begeisterung Holznägel hinein schlugen. Da entstanden Gartenzäune, Irrgärten und auch so manches Phantasie-Gebilde kam zustande. Wir waren glücklich und fühlten uns wohl. Ab und zu gab es dann auch noch ein Gänseschmalz-Brot. Wie gesagt, unsere Ansprüche waren nicht groß. Wir mussten nicht frieren, hatten etwas womit wir spielen konnten. Was will ein Kind denn mehr?
Wenn es richtig Winter wurde, die Schneedecke über der Erde immer höher und die klare Luft immer eisiger, die Bäume und Sträucher unter ihrer Last fast zusammen brachen, stand mein Vater oft draußen und sagte: Wenn ihr ganz still seit, könnt ihr die Wölfe heulen hören. Wenn es noch kälter wird, werden sie von den Beskiden her näher kommen, denn sie sind hungrig. Von da an standen wir Abend für Abend draußen und lauschten ob die Wölfe wirklich näher kommen. Es war schon ein unheimliches Gefühl. Wurden doch so viele schreckliche Dinge über die bösen Wölfe erzählt. Wölfe die Menschen angegriffen hatten und Kinder zerfleischten. Zu dieser Zeit traute sich eigentlich niemand allein in den Wald. Aber war das wirklich alles wahr? Niemand wusste es zu sagen. Hirsche, Rehe, Hasen und Vögel suchten die Nähe der Menschen. Auch sie waren hungrig. Es gab wohl keinen, der nicht Futter hinaus gelegt hätte. An die Bäume wurden kleine Bällchen aus Rinderfett gehängt. Das sah fast aus wie ein Weihnachtsbaum für die Vögel. Es sah recht lustig aus. Drinnen in der warmen Stube warteten wir darauf, dass die Vöglein zum fressen kämen. Wenn es soweit war, freuten sich alle. Mensch und Vogel.
Wenn wir den Berg hinauf gingen und von oben über das weiße weite Land schauten, wurde uns seltsam zu Mute. Beschreiben kann man das Gefühl eigentlich nicht. Es war eine Mischung aus Bewunderung, Freude, Stolz, und vielleicht ein wenig Furcht vor soviel gewaltiger Natur. Dagegen waren wir doch nur Zwerge! Wie oft haben wir uns in einer Schneewehe die sich an einer Mauer gebildet hatte, eine Höhle gegraben in der wir spielten. Es war nicht kalt darin und wir bildeten uns ein, wir seien Eskimos (von denen hatten wir gelesen) und leben im ewigen Eis. Nur dieser Traum schmolz im Frühjahr mit dem Schnee dahin.
Es ging a nun langsam auf Weihnachten zu, alle waren beschäftigt. Unsere Brüder saßen am Küchentisch, um aus Sperrholz die schönsten Laubsägearbeiten herzustellen. Da kamen Schmuckkästchen, Bilderrahmen, aber auch Schlösser und Burgen zustande. Mit unendlicher Geduld wurden die kleinen feinen Teile aneinander gefügt. Es waren alles kleinere oder auch größere Kunstwerke. Eines schöner als das andere. Krippenfiguren wurden ausgesägt, bunt bemalt und zierten dann den Stall von Bethlehem, der meistens auf Moos zwischen den Doppelfenstern stand. Wenn dann auch noch eine Kerze hinter den Fensterscheiben aus bunten Papier brannte, und so eine magische Beleuchtung entstand, gingen unsere Herzen richtig auf. Nein, wir brauchten nicht viel um froh und glücklich zu sein. Für uns war es schon ein Fest, wenn wir Mutter bei der Weihnachtsbäckerei helfen durften. Im Grunde schmeckte der Teig ja besser, als die fertig gebackenen Plätzchen. Dafür nahmen wir das Bauchweh am kommenden Tag gern in Kauf. Da half auch Mutters erhobener Finger nichts. Wir waren eben Kinder.
Dann gab es auch noch Nachbar Röder. Er war Schneider. Ein recht Guter auch noch dazu. Wenn ich daran denke, wie oft Mutter bei ihm für uns Kinder Fausthandschuhe nähen ließ, und wie oft wir den einen oder anderen verloren, gefunden haben wir sie nie wieder. Aus diesem Grunde nähte er dann immer an den einen Handschuh einen Knopf, und an den anderen eine Schlaufe, damit sie zusammen blieben.
Die Töchter Marie und Loisi lebten und arbeiteten in Neutitschein. Für uns Kinder war es jedes Mal ein Fest, wenn sie uns zu Besuch kamen. Dann saßen wir da, hörten zu, was es da draußen in der fernen Welt an Neuigkeiten gab. Sie brachten auch Baumschmuck aus Schokolade, der in buntes Sanniol verpackt war, mit. Da gab es Autos, Nikoläuse, Vögel, Schlitten, ich weiß nicht was noch alles. Es glänzte wenn die Kerzen brannten; und nicht nur die Familie Röder erfreute sich daran. Nein wir alle taten es. Das Oberste Oberdorf, 6 Häuser als Nachbarn, waren eine eingeschworene Gemeinschaft. Sie trugen alle Freuden und alle Leiden gemeinsam. Jahrzehnte später verließen sie auch gemeinsam die alte Heimat.
Da es ja richtig Winter geworden war, wurden Schlitten und Ski herbei geholt, und hinaus ging es. Gegenüber auf Seiflers Berg hatte man eine gute Abfahrt. Unermüdlich zerrten wir den Schlitten hinauf, um dann wieder den Rausch der Geschwindigkeit bei der Abfahrt zu genießen. Unsere Brüder hatten sich dort eine Sprungschanze gebaut. Sie war nur aus festgestampften Schnee, aber sie tat ihr Bestes. Nun ja, eines Tages versuchten wir so einen Sprung auch mit unseren Schlitten. Es funktionierte. Nur unser Hintern tat anschließend schrecklich weh. Und das nicht nur von dem Aufprall des Schlittens, sondern auch von dem, was wir von unseren Brüdern bezogen - zu Recht! Sagten unsere Eltern. Denn die Schanze hatten wir ruiniert. Endlich war auch Weihnachten da. Mit seiner ganzen Freude und Herrlichkeit. Mit roten Äpfeln, Nüssen, Plätzchen aller Art, und Eisschokolade. Diese wurde in einem großen Topf aus Ceresfett, Staubzucker und Kakao hergestellt. In die Küche kam eine Wanne mit Schnee, in diese wurden kleine Förmchen gestellt und da hinein wurde die süße Masse gefüllt. Im Schnee wurde die Schokolade schnell hart, und die nächste Sendung konnte in Angriff genommen werden. Mutter machte immer einen kleinen Schmetentopf voll. Das war ein bauchiger Topf aus Steingut, in dem normalerweise die saure Sahne aufbewahrt wurde. Es gab sie in jedem Haus in allen Größen. Für uns war das ein besonderer Genuß. Ich mache diese Schokolade heute noch, und meine Nachkommen essen sie genau so gerne, wie wir das als Kinder taten. Ach, waren das herrliche Zeiten.
Heilig Abend, an dem Vater zur Violine griff, und stille Nacht-heilige Nacht erklang. Alle sangen mit. Dann folgte die Bescherung. Anschließend waren alle mit auspacken beschäftig, jeder bewunderte das Geschenk des anderen. Neid gab es keinen. Nur Freude. Durften wir doch länger aufbleiben und vor dem Christbaum sitzen um den Sternspritzern zuzuschauen, die etwas ganz besonders waren. Wenn das Zimmer dunkel war und nur die Kerzen und Sternspritzer (Wunderkerzen) brannten, glaubte man sich als Kind fast im Himmel. Schöner konnte es dort auch nicht sein. Dankbar schauten wir dann draußen hinauf zum Himmel, zu den Sternen und dem Mond. Unser Nachtgebet fiel an diesem Abend ganz besonders andächtig aus. Aber vor dem Schlafen gehen gab es noch Striezel und russischen Tee mit Rum. Sozusagen als krönenden Abschluss. Ein paar Stunden gönnten wir uns Schlaf, bis es Zeit war, in die Christmette zu gehen. Diese war bei uns um 4 Uhr morgens. Sobald die Glocken ertönten, deren Klang laut und deutlich und wunderbar durch die kalte Winternacht zu hören war, wurden die warmen Mäntel und gefütterten Schuhe angezogen. Durch den tiefen harschen Schnee strömten nun alle der Kirche zu. Wenn das Glockengeläut endete, begann der Gottesdienst. Die Musiker griffen zu ihren Instrumenten, die Sänger standen bereit und hielten die Notenblätter in den Händen. Wenn Vater den Arm hob, begann das große Weihnachtskonzert. Schöner und mit mehr Liebe hätte es auch in einem großem Dom nicht erklingen können. Wenn Pfarrer Schwarz sich seinen Gläubigen zuwendete, sangen alle: "Ehre sei Gott in der Höhe, und Frieden den Menschen auf Erden".
Dann folgten zwei ruhige Weihnachtsfeiertage.

 

Der ominöse Dampftopf

(Rotraut Vermeulen, die Schmidt Trautl; BL 12.2003)

Eigentlich uninteressant, Familiensache. Ich meine aber, es ist doch bemerkenswert, dass es bereits in meiner frühen Kindheit daheim Dinge gegeben hat, deren Existenz man heute kaum vermuten würde; z.B. den Dampftopf. Die große Zeit des Dampfgarens setzte nämlich erst viel später, lange nach dem 2. Weltkrieg, ein. Da war das Angebot dieser Spezialtöpfe riesengroß. Und zwar in besonderen Dimensionen von 2 l bis 5 l Inhalt etwa, und mit Gummiring und einem Schalterknopf auf dem Deckel. Ein Dampftopf war "in".
Nun, unser gutes Stück war schon anno dazumal hochmodern. Beruhte übrigens auf dem gleichen Prinzip. Der Unterschied war, dass er interessanter aussah und viel teurer war. Papa scheute aber den horrenten Preis nicht. Er war immer einer den alle Fortschritte in der Technik faszinierten. Also erstand er - wohl im Kaufhaus Hoschak - wo rechts die Lebensmittel an den Mann gebracht wurden, die linke Pudel für alles Metallene zuständig war- dieses Superding als Weihnachtsgeschenk für seine Frau. Noch heute sehe ich es geheimnisvoll hinterm Vorhang blinken. Der Kerzenschein des Christbaums spielte sich unübersehbar in dem metallenen Etwas. Ein Wunderding. Etwa 25 cm Durchmesser, fast 20 cm hoch, keine Kanten, überall gefällig abgerundet. Oben angeschrägt sich zu einer ca. 12 cm breiten, runden Öffnung verjüngend, ein kompakter Deckel dazwischen ein Gummiring, versehen mit einem kompliziert aussehenden Ventil. Dieses bestand aus einer Art Verschiebebalken auf Messstrichen. Das war ein teuflisches Ding. Sobald die Garzeit nämlich beendet war, tat es dies durch einen schrillen, Mark und Bein erschütternden Pfiff kund. An beiden Seiten zwei Griffe, die wohl für die Ewigkeit bestimmt waren. Nur die Hände griffen auf Holz, eine angenehme Besonderheit, weil man sich beim Zupacken nicht verbrennen konnte. Alles in allem bestand der Topf aus einem silberfarbenen Metall, wohl eine Alu-Speziallegierung und zwar ziemlich dickwandig. Mit zwei Zierrillen drumherum war diese Kreation sehr ansehnlich. Man sah ihr den stolzen Preis schon von weitem an.
Mit Dampf kochen war natürlich nicht neu. Es wurde dort praktiziert wo eine Tüchtige Hausfrau den Kochlöffel schwank. Dazu stand aber nur ein gemeiner Topf zur Verfügung. Einer bei dem der Deckel gut dicht hielt. Für Hefeknödel, z.B. Dampfnudeln, Gemüse und derlei Essbares. Aber "normal" und dabei viel Zeit sparen, das funktionierte bei Mama - sie war eine begnadete Köchin - erst so richtig, nachdem eben das Christkind unseren Haushalt diesem Wundertopf bereichert hatte.
Nach dem Motto Zeit ist Geld war bei uns viel im Einsatz. Zum Problem wurde das Paradestück 1946. Als man uns - mehr als 3 Mill. Sudetendeutsche - aus Haus und Hof vertrieb. 40 kg Gepäck! Das war das einzige Zugeständnis der tschechischen Machthaber, die glaubten, sich maßlos an uns zu rächen zu müssen. Ein tiefer Einschnitt in unsere Jahrhunderte alten Gewohnheiten, in unsere tiefe Liebe zur Heimat. Was mitnehmen in diesem wahnsinnigen Trubel des Scheidenmüssens? Binnen weniger Stunden! Nein, unser gutes Stück durfte nicht schnöde zurückgelassen werden. Es musste mit.
Ich weiß nicht, ob es danach noch oft im Einsatz war. Lange prangte es noch auf unserem "Funki" (von Funkturm, einer ähnlichen Konstruktion aus grauer Vorzeit. Papa hatte ihn in der Not aus Rohholz zusammengezimmert. Uns stand ein winziger Raum für 6 Personen zur Verfügung".) "Humor ist, wenn man trotzdem lacht" , war die Devise für uns junge Vertriebene. Dieser familiäre Ausleger sei mir gestattet. Er spiegelte so treffend die Nachkriegssituation unter uns Heimatlosen wider.
Ja, der Topf. Zuletzt war er schon arg ramponiert. Die Holzgriffe hatten den Geist aufgegeben. Nur die festverankerten Halterungen erinnerten an die Henkel. Er überstand jedes Ausrangieren. Keiner hatte den Mut ihn auf den Müll zu feuern. Wer immer ihn den Gnadenstoß versetzt - ganz auslöschen konnte man die Erinnerung an unseren so liebgewordenen Dampftopf nie.

 

Traum von daheim

( Verfasser: Sophie Steiger; Dietershofen bei Illertissen. Entnommen aus "Unsere Heimat STADT LIEBAU" 1948) 

Man heißt dich verkommen, weil du keine Heimat hast -
Leg jetzt ab die große Last und komm mit mir!
Mutter: Ein ganzes Märchen träumte ich heut Nacht,
ich wollte, ich wäre nie mehr aufgewacht!
Weißt, Mutter, weit fort, allein war ich dort;
von Ferne schon die Berge grüßten,
als ob sie von meinem Kommen wüßten.
Und Muttererde deuchte mich ein Thron
das Hügelland - Nordmährens Kron.
Und Schwalben lobten die Schöpfung im Lied,
ein Käuzchen lockte: "komm mit, komm mit!"
Damit du den Zauber der Heimat fühlst,
den sengenden Brand deines Herzweh's kühlst,
nach jenem Städtlein, es hüllt dich ein -
in seliges Geborgensein - STADT LIEBAU.
Und im lieben Elternhaus ruhte ich vom Wandern aus.
Einsam, öde war es wohl; vertraute Räume gähnten hohl.
Im Herrgottswinkel hatte die Sinne
den Bauplatz für ihre Netze inne.
Doch Heimat bleibt Heimat! Das fühltest auch du.
Ich war am Steinbruch, am Stadtberg, im Hohenwald,
wie ich's so oft mir ausgemalt.
Frei an der Lichtung die uralte Fichte,
ragt wie ein Pfeil hoch in die Lüfte.
Zuweilen knarrte ein dürrer Ast,
wenn Ihn der Sturmwind hart angefaßt.
Bis endlich er bricht! Doch bis ins Mark trifft Stürmen nicht
die weisend Gestalt, den Einsiedler vom Hohenwald.
Warum wohl so nach der Höhe gestrebt?
Er raunt: "Wohl drum, daß mich Beil zerschlägt."
Neben dem Bauernhof auf Hannsmanns Berg,
die stolze Eich', unser Sinnbild der Stärk',
sie blieb treuer Wächter im Gang der Geschlechter.
Ihr Geäst kündet im Schwingen,
Warum wir traurig von hier gingen.
Daß Nacht verschlang, was einstens Licht,
zerriß, was Menschen heilig war,
daß verfolgte ein verfehmt Gesicht.
Geschlagen ein ganzes Jahr,
bis Well' auf Welle, Hieb auf Hieb,
glühender Haß aus der Heimat uns trieb.
Wir irren wohl sehend, freudlos umher,
hoffend und zagend, alles ertragend,
kein Heimatland mehr!

Wie sich nur Vergangenes den Menschen eingeprägt?
Ich habe im Traume wieder erlebt
ein Rüsten zum Feiern, den Schwur zu erneuern,
zu jeder Zeit für die Heimat bereit.
Neu stand die Schule im Feiertagskleid,
im Chore erklang freudig zur Nacht
Der Treuschwur Stadt Liebaus "KENNT IHR DIE STADT?"
Zur Feier im vollendeten Werk
trug die Schule den Vermerk:
"Zu Gottes Ehr und unserer Freude,
zu unserer Kinder Unterricht,
steht dieses bess're Schulgebäude,
uns reuen solche Kosten nicht."
Nur noch ein genaues, kurzes Jahrzehnt
hat es das Volk sein Eigen gewähnt.

In Städtleins Mitte am Ringplatz pflegt
das Volk manche Site, freudig bewegt.
Wie schön kam zum Ausdruck des Volkes Einklang,
wenn jubelnde Freude zum Himmel schwang
im Saatritt und im Erntedank!
Derweil des Städtleins Herz stand still,
drang leis von der Kirche Orgelspiel.
Und wie der letzte Ton verklingt,
ein Englein in mein Träumen singt:

Einst rief hier das Glöcklein die Beter zum Herrn,
dann wurde es stille, die Menschen sind fern.
Verlorene Kirche - einst jubelt man hier,
dann suchten nur Verzweifelnde Zuflucht bei dir.
Hier kniete einst abschiednehmend das Volk,
bis sich der Letzte den Segen geholt.
Seither saust um die Kirche heulend der Wind,
rüttelt an Türen, kein Einlaß er find'.
Das Gotteshaus versank der Welt,
nur Englein halten treulich Wacht
und ein ewiges Licht erhält
die Weihe, die es heilig macht.
Was graue Mauern schützend schließt,
gehört dem lieben Gott allein,
der nie sein Volk in Not vergißt,
er wird der Flüchtling' Sprecher sein.
Wie die Sonne goldig durchs Fenster scheint,
haben die Englein alle geweint.
Am Kirchhof droben der Ahnen Grab
hat die Natur liebend umworben,
weil niemand es tat;
Duftendes Grün, Wildröslein umhüllen die Hügel der Stillen.
Und als der Heimat Sterne glühten,
sah ich im Totenlande Leben,
wie Väter nach den Höfen blickten,
die sie den Söhnen übergeben.
Von den vielen einer erstand im feldrauen Gewand,
fern von der Heimat den Tod er fand.
Solang mußte die Sehnsucht schweigen,
galt es treu zu sein der Pflicht,
bis der Toten großen Reigen
jedem seinen Platz zumißt.
Und es war, als umklammert seine knöcherne Hand
im Weh das Kleinod Heimatland.
Dann bin ich erwacht und ward mir bewußt,
warum ich im Traume weinen mußt.
Warum schweigst du, Mutter, wenn andre klagen?
Hilft nicht einer dem anderen tragen?

Und die Mutter antwortet weich, indem sie spricht:
"Kind! Mein Lebensbuch liegt aufgeschlagen,
ich weile in vergangenen Tagen.
Es war ein strahlender Frühling, und ich war ein Kind der Natur,
für mich war das Weltall mein Heimatland nur.
Ich stand Stunden am Weiher, forschte auf seinem Grund,
warum wohl dort unten auf einmal erstund
kristallen der Wald, die eigene Gestalt?
Sprang leicht über Wiesen lachendes Glück,
haschte jauchzend ein Tierlein - Maikäfer flieg!
Jetzt steh ich im Sommer, das Korn gibt bald Brot,
ich ging durch die Schule des Lebens, der Not.
Ich sah das Grauen, weiß, was brennt,
begegnete Frauen, die man geschänd't.
Lächelte, als ein Fremdling mit uns aß am Tisch,
schwieg, als er uns nahm den Besitz,
schaffte als Magd auf eigener Scholl'
und sagte der Heimat dann still LEBEWOHL!"
Ich ertrage das Leid und schweige auch heut.

Mein Vaterhaus

O Vaterhaus, die Sehnsucht meiner Träume
wo eine frohe Jugend ich genoß,
wo ich einst atmete den Duft der blühenden Bäume,
wo Elternliebe innig mich umschloß.

Die Blumen vor dem Haus erfreuten Herz und Sinne,
die ich mit so viel Liebe einst gepflegt.
Geblieben ist mir nur der Sehnsucht Stimme.
Die Heimatliebe mir in's Herzgelegt.

O Vaterhaus, durch Elternfleiß geschaffen,
dereinst bestimmt für Kind und Enkelkind,
wir mußten fort und mußten alles lassen.
Das harte Schicksal hat es so bestimmt.

Die uns vertrieben einst, nun heute darin wohnen,
die nicht gearbeitet und nicht gespart dafür.
Wir wollen hoffen, daß uns Gott wird lohnen,
was uns angetan einst fremde Willkür.

O Vaterhaus, du Sehnsucht meiner Träume,
wo ich gelebt, geliebt, das Geben mich erfreut,
nie mehr durchschreit' ich die geliebte Räume,
Bleibst stete Sehnsucht nur noch heut.

(Verfasser: Rudolfine Pazdior, Bautsch; Bärner Ländchen Mai 1969) 

 

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